Iyengar Yoga ist eine Form des Hatha-Yoga, die großen Wert auf die präzise Ausführung der Asanas legt. Die Schule wurde von B. K. S. Iyengar gegründet, einem Schüler von Krishnamacharya, dem Vater des dynamischen Hatha-Yoga.
Iyengar, der Gründer von Iyengar Yoga
Iyengar wuchs in einer verarmten Familie der Brahmanenkaste auf. Als elftes Kind geboren, litt er unter Unterernährung und einigen schweren Krankheiten. Mit 16 Jahren wurde er Schüler von Krishnamacharya und später dessen Schwager, nachdem er die deutlich jüngere Schwester seines Lehrers, Ramamani, geheiratet hatte. Nach ihrem frühen Tod ehrte er sie, indem er seine Schule in Pune nach ihr benannte: das Ramamani Iyengar Memorial Institute (RIMYI).
Iyengars Gesundheit besserte sich schnell, und als er wieder vollständig gesund war, wurde er selbst Yogalehrer. Er arbeitete kontinuierlich an seiner Methodik und nutzte Hilfsmittel wie Kissen, Decken, Stühle, Seile, Holzblöcke und Keile, um die Wirkung der Asanas zu vertiefen und sie auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen zugänglich zu machen.
Dank seines berühmten Schülers Yehudi Menuhin reiste Iyengar mit Yoga-Demonstrationen durch ganz Europa und machte Yoga im Westen bekannt. Er schrieb mehrere Bücher, darunter „Licht auf Yoga“, das zu einem internationalen Standardwerk geworden ist.
Heute wird Yoga nach seinem Stil in mehr als 70 Ländern unterrichtet. Die erste Iyengar-Schule in Deutschland wurde schon Mitte siebziger Jahre in Müllheim von Ilse M. Zielasko* eröffnet.
Weitere Besonderheiten bei Iyengar Yoga
Neben der besonderen Betonung auf Präzision und exakte Ausrichtung lernen die Teilnehmer auch Atemtechniken (Pranayama) und Meditation. Die Lehrer:innen Iyengar-Schule erklären jede Pose ganz genau und nehmen sich viel Zeit, damit die Teilnehmer:innen ein Gefühl für ihren Körper entwickeln.
Einige Iyengar-Schulen bieten auch Kurse in Form von Yoga-Therapie an, die sich an Menschen mit gesundheitlichen Problemen oder eingeschränkter Mobilität richten. Die Anzahl der Übenden ist in diesen Klassen begrenzt, sodass die Lehrer:innen mehr individuelle Aufmerksamkeit schenken können.
Wenn es für einen bestimmten Körper schwierig ist, sich in eine Asana zu vertiefen, können Hilfsmittel, wie oben erwähnt, eingesetzt werden, um die Haltung einzunehmen. Die Verwendung dieser Hilfsmittel wird immer sehr gut erklärt.
Natürlich sind auch in anderen Studios einige Hilfsmittel vorhanden, aber die Auswahl und die Menge pro Person ist in den Iyengar-Schulen viel größer als in allen anderen Schulen. Ein klassisches Iyengar-Studio ist außerdem mit Haken und Leinen an den Wänden und speziell konstruierten Stühlen, Bänken oder Stufen ausgestattet.

Herausforderungen und persönliche Erfahrungen
Die berühmte iyengarische Genauigkeit in den Anweisungen kann auch kontraproduktiv sein. In meiner Ausbildung habe ich gelernt und auch hundertfach sowohl als Lehrerin als auch Schülerin erfahren, dass bildhafte externe „Cues“ eine starke Aktivierung vieler Muskelgruppen gleichzeitig auslösen, ohne dass man darüber nachdenken muss, welche Muskeln dabei beteiligt sein sollten. In Iyengar-Klassen gibt es jedoch sehr detaillierte Anweisungen, die für viele Menschen verwirrend und überwältigend sein können. Oft kommt man als Praktizierende gar nicht dazu, die Wirkung einer Asana wahrzunehmen oder nachzuspüren, weil man mit all diesen Details auf kognitiver Ebene beschäftigt ist.
Des Weiteren, trotz der wissenschaftlichen Fortschritte seit der Gründung der Iyengar-Schule wird der Frauenkörper nach wie vor nicht immer nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen behandelt. Beispielsweise wird menstruierenden Frauen immer noch verboten, Umkehrhaltungen oder Positionen mit starker Bauchmuskel-Aktivität zu praktizieren. Darüber habe ich schon in einem meiner früheren Beiträge ausführlicher berichtet: Wenn Dich das Thema interessiert, erfährst Du darüber hier mehr.
Und nun zu der menschlichen Erfahrung:
Zu Beginn meiner Reise auf der Matte lernte ich einen wunderbaren Iyengar-Lehrer aus Berlin kennen, Josef Foos der übrigens auch ein zauberhafter Street-Künstler war. Sein Wissen war profund und dabei blieb er sehr bescheiden. Vor allem aber überzeugte mich seine liebevolle Art im Umgang mit den Schüler:innen.
Umso größer war mein Entsetzen, als ich vor ungefähr zehn Jahren bei einigen Workshops im Ausland unter der Leitung sehr strenger Iyengar-Lehrer:innen praktizierte, manche darunter als internationale Koryphäe anerkannt, die nicht nur Ungeduld und Unzufriedenheit zeigten, sondern auch unzulässige Kommentare, besonders Frauen gegenüber, machten und gewaltsame Körperkorrekturen, oft begleitet von Schlägen mit der offenen Hand auf die nackte Haut, verübten.
Dieses Verhalten wurde mir mit dem angeblich von "Guruji Iyengar" verwendeten Begriff "liebende Strenge" erklärt. Nun ja, der Meister lebt nicht mehr und ich kann nicht mehr überprüfen, was er damit tatsächlich meinte, ich habe von der Liebe dabei auf jeden Fall nichts gespürt. Außerdem leben wir einige Jahrzehnte später, und auch damals, in 70-80-90 Jahren, war diese Art von Verhalten nicht mehr gang und gäbe, zumindest in Westeuropa. Heute ist das eine klare Grenzüberschreitung, die nicht mehr zu rechtfertigen ist.
Ich möchte aber betonen, dass es in dieser Yoga-Richtung eine große Mehrheit großartiger, sehr gut ausgebildeter Lehrer:innen gibt und hoffe, dass diejenigen, die ich damals vor zehn Jahren als misshandelnd erlebte, das Verhalten reflektiert und korrigiert haben.
Summa summarum
Das kannst Du erwarten:
Yogaunterricht, der um die exakte Ausrichtung der Posen aufgebaut ist.
Sehr gut ausgebildete Lehrende.
Unterstützung bei körperlichen Einschränkungen.
Für wen geeignet:
Für alle Yoga-Übenden, die langsamer praktizieren wollen.
Für diejenigen, die die Asanas wirklich tief verstehen und Zeit für das Nachspüren genießen möchten.
Für diejenigen, die sich mehr für die physischen Aspekte des Yoga interessieren als für den spirituellen Teil.
Für diejenigen, die Pranayama in ihrer Yogapraxis nicht missen wollen.
Meine subjektive Empfehlung der berliner Iyengar-Adressen:
Yoga Therapie in Iyengar Yoga Institut Berlin
Iyengar Studio Berlin in Oranienstrasse bei Stefanie Roth
*Ilse M. Zielasko ist nach eigenen Angaben die wohl älteste praktizierende Yogini und Yogalehrerin in Deutschland (in einigen Tagen wird sie ihren 80. Geburtstag feiern). Sie verbrachte mehrere Jahre in Indien und nahm Unterricht und Ausbildung direkt bei Iyengar, der sie auch für eine Woche in ihrem Studio in Deutschland besuchte.
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