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Krise und Meditation – Kann jeder meditieren?

Diese Frage begegnet mir hin und wieder. Bevor ich sie beantworte, möchte ich in Bezug auf Meditation etwas klarstellen:

Es gibt viele klischeehafte Vorstellungen darüber, was Meditation ist und welche Wirkung sie hat. Nicht alles, was unter diesem Begriff kursiert, ist Meditation, also Dhyana.

Die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf ein einziges Objekt wie z.B. den Atem, das Gehen, ein Mantra, eine Kerzenflamme oder ein Symbol ist noch keine Meditation, sondern Dharana, eine Vorbereitung darauf. Davor gibt es noch eine Vorstufe, Pratyahara, also das Zurückziehen der Sinne nach innen.


Aus der Sicht des Yoga ist die Meditation ein wichtiger Teil der gesamten Praxis. Vielleicht sogar der wichtigste. Ich werde darüber in einem separaten Beitrag mehr schreiben, oder vielleicht auch in mehreren. ;-) In der Zwischenzeit kannst Du Dir meine Einführung in die Achtsamkeitspraxis anhören - einer der ersten Schritte zur eigentlichen Praxis.

Die Praxis der Meditation aber bedarf individuellen Anpassung.

Dafür benötigst Du tatsächlich eine:n Lehrer:in.



Und nun etwas, das Einige hier in Bezug auf Meditation und Krise überraschen mag:


Theoretisch kann jeder meditieren, denn diese Praxis ist allgemein zugänglich.

Es gibt aber tatsächlich Kontraindikationen, wenn es um die komplexeren Praktiken der Meditation geht.

Die oben genannten Vorbereitungstechniken sind aber ohne Vorbehalte für Jeden empfehlenswert.


Grazyna Kania, Personal Yoga Lehrerin in Berlin
Du musst Dich nicht im Lotos-Sitz "verbrezeln" um zu meditieren. Shavasana - eine Rückenlage - ist ebenfalls eine Option.

Personen, die sich in einer akuten psychischen Krise befinden, sollten die Meditation-Praktiken mit äußerster Vorsicht angehen! Insbesondere gilt dies für Menschen mit Psychosen, Menschen, die ein unverarbeitetes schweres Trauma haben, Menschen mit akuter Depression, Burn-out, Angstzuständen usw., sowie für Alkohol- und Drogenabhängige.


Jeder ernsthafte Meditation-Retreat warnt Menschen mit den genannten Krankheitsbildern vor der Teilnahme und gibt den dringenden Rat, zuvor eine:n Psychotherapeut:In aufzusuchen. Das gilt auch für Menschen, die sich erst am Anfang der Therapie befinden. Tiefe Meditation kann unter Umständen unverarbeitete Traumata oder Ängste aktivieren. Die Meditationslehrer sind nicht ausgebildet, in akuten Fällen adäquat zu helfen. Daher solle man erst nach einer Therapie mit der Meditation beginnen, und dies unbedingt unter fachkundiger Anleitung.


Mir selbst war dies unbekannt, als ich mich vor über 15 Jahren in einer akuten Krisensituation in größter Not an eine Psychotherapeutin wandte. Dieser Schritt war für mich selbstverständlich. Alles andere wäre damals für mich ohnehin nicht möglich gewesen. Es dauerte gut ein paar Jahre, bis ich wirklich bereit war, in mich hineinzuschauen und mich mit meinen tief verwurzelten Traumata und Glaubenssätzen auseinanderzusetzen. Hätte ich dies nicht getan, und lediglich zu meditieren versuchte, wäre ich sicher an den Bildern, die später in der Meditation bei mir hochkamen, zerbrochen.


Denn eine der Wirkungen der Meditation besteht darin, den Schutzmantel, den die Psyche zur Gesunderhaltung anwendet, zu öffnen und zu lösen. Meditation kann ein Katalysator sein, der bestehende Probleme an die Oberfläche bringt. Die Wurzeln dieser Probleme sind oft tief und müssen zuerst angegangen werden. Aber nicht alleine und auf keinesfalls auf eigene Faust. Psychotherapie ist hier unabdingbar!

Wer da? – Ich bin es, Deine Krise. – Herzlich willkommen!


Ja, eine Krise kann Dir einen ordentlichen Kick geben und den Anstoß für längst überfällige Veränderungen. Aber wenn Du Dich mitten in einer Krise im Schneidersitz hinsetzt und versuchst, Deine Probleme "wegzumeditieren", weil eine beliebte Instagram-Göttin das auch tut, dann ist das gefährlicher Unsinn.


Ich selbst verdanke einer tiefgreifenden Krise, dass ich überhaupt bereit war, mich meinen Problemen zu stellen. Nach einem Burn-out und mehreren depressiven Episoden beschloss ich endlich, Verantwortung für mich zu übernehmen. Nach und nach wurde mir klar, dass ich bei meiner Arbeit als Theaterregisseurin mit dem dunkelsten Teil meiner eigenen Persönlichkeit konfrontiert wurde. Ich erkannte, dass ich selbst zu einer Quelle von Schmerz und Leid für andere Menschen und für mich selbst geworden war. Diese Erkenntnis war schmerzhaft, aber auch befreiend.


Die Meditation ermöglichte mir eine emotionale Begegnung mit dem, was ich in der Therapie auf kognitiver Ebene analysiert hatte, eine tiefere Verbindung mit meinem inneren Selbst und die Beobachtung meiner Denk- und Verhaltensmuster. Sie ermöglichte mir sogar die Begegnung mit meinem inneren Kind! Und diese Begegnung war sehr konfrontativ! Und umgekehrt: Ohne Analyse des Erlebten mit meiner Therapeutin, hätte ich sie sehr wahrscheinlich nicht gut verarbeiten können.


Glaube nicht, dass "Meditation" deine psychischen Probleme heilt. Ohne fachkundige Anleitung und einer guten therapeutischen Vorarbeit kann genau das Gegenteil der Fall sein!

Noch eins: Dürfen auch Kinder meditieren?


Nein, Kinder sollten auch nicht meditieren. Wenn wir von Meditation sprechen - und nicht von den oben erwähnten Vorbereitungstechniken - geht es darum, sich in die Position eines Beobachters des eigenen Geistes zu versetzen. Dafür sollte man gut vorbereitet sein und eine integrierte, stabile Psyche aufgebaut haben. Kinder befinden sich in der Entwicklungsphase und verfügen deshalb noch nicht über ein verlässliches Selbstbild oder ein starkes Selbstwertgefühl. Sie können noch nicht „Herr im eigenen Haus sein“ und sollten deshalb noch nicht meditieren.


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