In einer Welt, die uns ständig zwingt, schneller zu werden und mehr zu leisten, ist es erstaunlich, dass sich eine Yoga-Art so großer Beliebtheit erfreut, die genau das noch steigern will: schnell, intensiv und pausenlos im Flow sein und dabei bitte entspannt bleiben. Klingt irgendwie nach homöopathischer Heilmethode: Gleiches mit Gleichem behandeln. Und für viele scheint es tatsächlich wirkungsvoll zu sein.
Was bedeutet das Wort Vinyasa
Der Name "Vinyasa" stammt aus dem Sanskrit: "vi" bedeutet "in einer bestimmten Weise" und "nyasa" bedeutet "stellen", "legen", "ordnen". In der Praxis bedeutet Vinyasa eine bestimmte Abfolge von Bewegungen, wobei jede Bewegung mit der Atmung synchronisiert ist und als Übergang von einer Asana zur nächsten dient. Diese Übergänge sind meistens Teile oder Variationen des Sonnengrußes.
Vinyasa Yoga verspricht eine Symbiose aus Atmung und Bewegung, bei der man nicht nur bis in die Unterhose schwitzt, sondern auch den Kopf durchgepustet bekommt.
Es ist ein schweißtreibender Tanz, bei dem jeder Atemzug die Bewegung lenkt. Die Asana-Sequenzen werden zur Choreografie. Sie wird von Musik begleitet, die entweder im Hintergrund dahin plätschert oder zielgerichtet antreibt. Wenn man sich darauf einlässt, beginnt man tatsächlich zu fließen, von einer Haltung in die nächste, bis man die Welt vergisst. Das ist, schlagwortartig erfasst, das Ziel.
Nicht umsonst wird Vinyasa Yoga oft als „Flow Yoga“ oder "Power Flow" bezeichnet - es gibt keinen Stillstand, keine Pause. Jede Haltung, jede Übergangsbewegung, jeder Atemzug fügt sich zu einem rhythmischen Ganzen: Du schwitzt, spürst Deine Grenzen und weitest sie – und am Ende dieses Tanzes sollst Du nicht nur körperlich, sondern auch mental gestärkt sein. In der hier angehängten kurzen Praxis mit Mady Morrison, einer populären Lehrerin auf YouTube, kannst Du Dir ein Beispiel für eine Praxis in diesem Stil anschauen und vielleicht sogar mitmachen.
Die Bedeutung des Flows und der Spiritualität in Vinyasa Yoga
Um eine Verschmelzung von Körper und Geist zu erreichen, braucht es Hingabe und volles Vertrauen in die führende Person. Es geht dabei nicht so sehr um die perfekte Pose, sondern um den Fluss. Es wird auch relativ wenig erklärt und korrigiert, weder verbal noch mit den Händen. Das ist auch kaum möglich, da die Lehrer:innen nicht nur anleiten, sondern meistens selbst auf der Matte toben.
Im Gegensatz zum klassischen Yoga, bei dem Körperpraxis, Meditation und Pranayama (Atemübungen) und Rezitation von Mantras eine gleichberechtigte Rolle spielen, wird Spiritualität am Rande behandelt. Vinyasa Yoga verspricht einen meditativen Zustand vor allem durch körperliche Praxis zu erreichen. Die Magie soll also durch die Bewegung selbst entstehen, durch das fließende Verbinden der Asanas.
Stattdessen können die unterschiedlichsten tänzerischen Variationen von Asanas und Haltungen mit schönen alten Sanskrit-Namen wie "Dancing Warrior", "Wilde Thing", "Fallen Angel", "Fallen Triangle", "Funky chair" oder "Killer Praying Mantis" geübt werden.
Man könnte sich fragen, ob Vinyasa Yoga nicht einfach Gymnastik in modischen Yogaklamotten ist, die einfach nur räumlich auf die Matte beschränkt ist. Doch in einem guten Unterricht wird immer wieder das Loslassen betont und daran erinnert, ganz im Moment zu bleiben – auf der eigenen Matte wie auf einem Floß.
Entstehung von Vinyasa Yoga und Vergleich zu Ashtanga.
Vinyasa Yoga hat sich allmählich aus dem traditionellen Ashtanga Yoga entwickelt. Wobei Ashtanga in seiner Essenz auch Vinyasa Yoga ist. Der Unterschied besteht darin, dass es beim Vinyasa (oder Flow Yoga), im Gegensatz zum Ashtanga, keine starren Abläufe in verschiedenen Serien gibt, die aufeinander aufbauen. Vinyasa Yoga löst sich von allen Formen und festen Strukturen und ermöglicht so ein enormes Maß an Freiheit und Kreativität in der Sequenzierung. Die Yogalehrer:innen des Vinyasa-Stils kreieren somit einzigartige Stunden, die ihre eigene Handschrift tragen: sei es in der Betonung der Kraft, Mobilität, Dehnung oder einer Mischung aus allem.
Zu den Vinyasa-Schulen gehören auch Jivamukti, Forrest Yoga, Power Yoga.
Manche beanspruchen für sich, die Erfinder des modernen Vinyasa Yoga zu sein. Der Ursprung ist jedoch eindeutig bei Tirumalai Krishnamacharya und seinen Schülern, besonders bei Pattabhi Jois, zu suchen.
Meine Erfahrung mit Vinyasa Yoga
Mein erster Vinyasa-Lehrer war auch professioneller Tänzer. Vielleicht traf sein Unterricht deshalb damals genau meinen Nerv. Nichts ahnend von der Einzigartigkeit seines Unterrichts, der in einer kleinen Gruppe und in Stille stattfand, war ich sehr überrascht, als ich mein erstes großes Vinyasa-Studio betrat und aus den Lautsprechern irgendeine Art von Spirit-Pop auf mich einprasselte. Die Lehrerin zeigte sich sehr überrascht, als ich fragte, ob das immer so sei: 'Natürlich, auch auf Bali wird zur Musik praktiziert.' Ich habe lange nach einem Vinyasa-Studio ohne Musik gesucht – ohne Erfolg. Zu Vinyasa gehört Musik, und damit basta. Nach dem weisen Rat, wie man mit einer prekären Situation sinnvoll umgeht: sie zu verlassen, sie zu verändern und schließlich, wenn keines davon möglich ist, sie zu akzeptieren – entschied ich mich schließlich für Letzteres und schloss meinen Frieden mit der Musik während der Yogapraxis.
Summa Summarum
Was Dich erwartet
Dynamisch-tänzerischer Flow mit musikalischer Begleitung: Im Vinyasa-Unterricht wirst Du durch fließende Abfolgen von Asanas geführt, die Deinen Körper fordern und Deine Beweglichkeit steigern.
Intensives Training: Du wirst lernen, Kraft, Balance und Ausdauer zu entwickeln, während Du Dich pausenlos im Flow bewegst.
Fokus auf Atmung: Die Verbindung von Atem und Bewegung steht im Mittelpunkt, was Dir hilft, tiefer in Deine Praxis einzutauchen und Stress abzubauen.
Für wen geeignet
Jüngere, sportliche Menschen.
Alle, die sich intensiv mit Begleitung der Musik bewegen und in dieser Weise dem Zustand des Yoga näher kommen wollen.
Menschen, die sich in großen Klassen wohlfühlen.
Meine subjektive Empfehlung der Vinyasa Adressen für Berliner:
Yoga für Dich, in Kreuzberg, Schöneberg, Friedrichshain oder Prenzlauerberg
Sky Yoga, in Kreuzberg
Yellow Yoga, solidarische Yogagemeinschaft in Kreuzberg und Neukölln
Spirit Yoga, in Zehlendorf
Mady Morrison, online
und viele, viele mehr!
Fazit
Vinyasa-Yoga bietet eine intensive und dynamische, körperbetonte Praxis. Die Kombination aus fließenden, tänzerischen Bewegungen, musikalischer Begleitung und gezielter Atemführung schafft eine kraftvolle, aber auch entspannende Erfahrung. Für alle, die eine aktive und rhythmisierte Yogapraxis suchen, ist Vinyasa eine ausgezeichnete Wahl.
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