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Ashtanga Yoga: Kraft, Dynamik und Stille

Ashtanga Yoga* ist eine besonders dynamische und herausfordernde Form des Yoga, die sich durch ihre festgelegten Serien und präzisen Bewegungsabläufe auszeichnet. Verbreitet von dem indischen Yogameister Sri K. Patthabi Jois, erfreut sich dieser Stil weltweit großer Beliebtheit, insbesondere unter sportlich ambitionierten Yogis.



Ein Raum voller Menschen die Yoga praktizieren
Eine volle geleitete Ashtanga Yoga Klasse

Ursprung und Entwicklung


Der Stil hat seinen Ursprung in der indischen Stadt Mysore, wo Tirumalai Krishnamacharya von dortigem Maharaja beauftragt wurde, seine Familie und Beamten Yoga zu lehren. In einem Flügel seines Palastes richtete er für Krischnamacharya eine Shala ein.

Drei Männer davon zwei in Lotussitz.
Patabi Jois mit seinem Sohn und Sting

Er unterrichtete aber nicht nur seinen Gönner samt Gefolge, sondern auch die Straßenjungs aus der benachbarten Umgebung. Für die ungeduldigen und energiegeladenen jugendlichen Schüler entwickelte er eine dynamische Serie von Asanas, die als Ashtanga Yoga bekannt wurde.

Einer seiner Meisterschüler, Pattabhi Jois, brachte diesen Stil in den Westen und unterrichtete Persönlichkeiten wie Sting, Madonna und Gwyneth Paltrow.



Die Struktur von Ashtanga Yoga


Fotocollage mit einer Frau die Yoga Übungen macht
Vinyasa - Übungen

Ashtanga Yoga besteht aus sechs Serien, die jeweils aus einer festgelegten Abfolge von Asanas bestehen. Die meisten Schüler bleiben jahrelang bei der ersten Serie, die aus 41 Asanas besteht, bevor sie bereit sind die weiteren Serien zu üben. Jede Asana wird in dieser Praxis genau fünf Atemzüge lang gehalten. Dazwischen folgt als Übergang eine sogenannte Vinyasa aus immer der gleichen Abfolge: Adho Mukha Shvanasana, über Phalakasana in Chaturanga Dandasana, Urdhva Muka Shvanasana. Die Bewegungen sollen präzise mit dem Atemrhythmus asugeführt werden.



Praxis und Besonderheiten


Ein besonderes Merkmal des Ashtanga Yoga ist die sogenannte Mysore-Praxis, bei der Schüler in ihrem eigenen Tempo üben und dabei von Lehrern durch Adjustments unterstützt werden. Ergänzend dazu gibt es geführte Klassen, bei denen die gesamte Serie im strengen Vinyasa-Count angeleitet wird. Diese strukturierte und intensive Praxis ermöglicht es, alle Körperteile zu stärken und zu dehnen.


Im Zetrum der Ashtanga Yoga Praxis stehen drei Elemente:

  • bandha**, wörtlich "Verschluß", physisch gesehen gleichen die von den Nāṭh-Yogis beschriebenen subtilen Muskelkontraktionen das Gravitationsfeld der Erde aus.

  • vinyāsa, hier verstanden als das Zusammenbringen von Atem und Bewegung zu einem gleichmäßigen Rhythmus,

  • und dṛṣṭi, wörtlich bedeutet es "Schau", und ist ein Fokuspunkt für die Augen, um den Geist samt auftauchenden Gedanken und/oder Emotionen während der Praxis zu binden.


Graphik mit Fotos von einem Mann in vielen Yogapositionen
Erste Serie im Ashtanga Yoga

Vorteile und Herausforderungen


Ashtanga Yoga gilt als eine der körperlich anspruchsvollsten Yoga-Methoden. Die klare Struktur und Disziplin dieser Praxis helfen dabei, den Geist zu fokussieren und im Moment zu bleiben. Der/die Praktizierende muss einfach der Serie folgen, dabei auf den Atem und Blickfokus achten. Allerdings birgt der Stil auch Gefahr der Überforderung. Die Serien sind sehr Handgelenk- und Schultergelenk lästig: Bei einer ganzen Serie innerhalb 1,5 Stunde Praxis werden über hundert Chaturangas ausgeführt, wobei oft aus der Vorbeuge, dem Handstand, Kopfstand oder zB. der Haltung der Krähe in die Chaturanga gesprungen wird. Verletzungen wie Bänderrisse oder Schultergelenkkapselentzündungen sind dabei keine Seltenheit. Auch die Knie werden sehr gefordert, sodass Knieschmerzen oder Sehnenzerrungen sind dabei keine Seltenheit.

Die traditionellen indischen Lehrmethoden und Adjustments, die oft sehr strikt und robust sind, können die Situation noch verschärfen. Deshalb Achtsamkeit, das Hören auf den eigenen Körper, und die Kontrolle des eigenen Ehrgeizes oberstes Gebot sind, um langfristige Schäden zu vermeiden.

 


Schon wieder ein Skandal


Ein man fasst zwei Frauen in den Schritt während Yogapraxis
Patabi Jois während des Adjustments.

Es ist mir wichtig, auch die dunklen Kapitel der modernen Yogageschichte zu nennen und daraus zu lernen, damit Yoga ein sicherer und respektvoller Raum für alle bleibt. Deshalb möchte ich nicht verschweigen, dass auch Pattabhi Jois und sein Vermächtnis mit schweren Vorwürfen belastet sind. Nach seinem Tod sind Berichte von ehemaligen Schüler:innen aufgetaucht, die von sexualisierten Übergriffen während seiner Adjustments berichteten. Diese Vorwürfe wurden durch Videoaufnahmen und zahlreiche Zeugenaussagen untermauert. Positiv ist, dass dieser Skandal eine Debatte über Machtmissbrauch und Ethik im Yoga ausgelöst hat. Leider hat dies weitere ähnliche Fälle von Machtmissbrauch nicht verhindert. Mehr dazu schreibe ich in weiteren Beiträgen.



Meine Erfahrung mit Ashtanga Yoga


Auch wenn mich diese Praxis letztendlich nicht überzeugt hat, möchte ich diese Erfahrung auf meinem Yogaweg nicht missen. Ich habe viel über mich und mein Ego gelernt. Allerdings habe ich mich nicht nur aus gesundheitlichen Gründen*** für eine andere Praxis entschieden. Was ich sehr genossen habe, war die Stille: Die einzige Melodie im Raum während der Praxis ist der Rhythmus des eigenen Atems. Er dient nicht nur als Fokus, sondern vor allem als Wegweiser zu den tieferen Aspekten der Praxis. Wenn der/die Lehrer:in eine angenehme und sanfte Art der Anleitung haben, kann Ashtanga Yoga in dieser Hinsicht ein purer Genuss sein.

 

 

Summa Summarum


Für wen ist Ashtanga Yoga geeignet?

  • gesunde Menschen mit guter Kondition

  • Personen, die eine klar strukturierte und körperlich fordernde Praxis suchen

  • Anfänger, die sich nicht von der körperlichen Herausforderung und der fokussierten Atmosphäre abschrecken lassen

  • Fortgeschrittene Praktizierende, die ihre Praxis auf die nächste Ebene heben wollen

  • Personen, die ohne Meditation oder Atemtechniken gut auskommen


Was kannst du erwarten?

  • Eine sehr dynamische und kraftvolle Yoga-Art

  • Eine Praxis, die in absoluter Stille durchgeführt wird

  • Unterstützung und Korrekturen durch Lehrer, insbesondere in der Mysore-Praxis

  • Eine hohe körperliche Herausforderung mit intensiven und schnellen Bewegungen

  • Eine strenge und disziplinierte Atmosphäre, die den Geist fokussiert und im Moment hält

  • Möglichkeit, die Praxis auch selbstständig zu Hause durchzuführen



Meine subjektive Empfehlung der Ashtanga Adressen für Berliner:

High on Yoga, bei Mateusz

Yoga School Berlin in der Hasenheide, Neukölln

AYInstitute, von Dr. Ronald Steiner in Ulm, online



Fazit


Trotz der hohen Anforderungen und möglichen Verletzungsgefahren zieht dieser Stil viele Menschen an, die eine tiefe und disziplinierte Yogapraxis suchen. Mit der richtigen Einstellung und Achtsamkeit kann Ashtanga Yoga eine kraftvolle Methode sein, um Körper und Geist in Einklang zu bringen und das eigene Potenzial voll auszuschöpfen. Obwohl die oben genannten Kritikpunkte zutreffen, bietet Ashtanga Yoga eine intensive und transformierende Erfahrung, die sowohl körperliche Stärke als auch geistige Klarheit fördert.




*Nicht verwechseln mit Ashtanga Yoga, dem achtgliedrigem Pfad des Yoga, beschrieben in Patanjalis Yogasutra.


**Es gibt drei Bandhas:

  • Mula Bandha – der Wurzelverschluss

  • Uddiyana Bandha – die Bauchkontraktion

  • Jalandhara Bandha – der Halsverschluss Das Zusammenführen der drei Bandhas nennt man Maha Bandha, wörtlich übersetzt "großer Verschluss". Die Technik und Ausführung kann man z.B. hier nachlesen.


***Ich habe Pranayama und Meditation vermisst, die in den klassischen Ashtanga-Klassen einfach nicht vorkommen. Auch für diejenigen, die daran interessiert sind, die Schriften zu studieren und sich mit der Philosophie auseinanderzusetzen, hat die Praxis in einer normalen Klasse nicht viel zu bieten.

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