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Deine beste Yogalehrerin oder Yogalehrer.


Eigentlich weiß ich nicht mehr genau, wie ich zum Yoga gekommen bin - ob es mir von einem Arzt empfohlen wurde, der mir mit Insulinspritzen drohte, wenn ich so weiter machte wie bisher, oder ob ich selbst darauf gekommen bin. Das war bevor die sozialen Medien in unser Leben traten und mit ihnen tausende von Seiten mit halbnackten, einschüchternd muskulösen Männern und Influencer*Innen, die ihre perfekten Körper in akrobatischen Posen und knappen Must-Have-Höschen zur Schau stellten. Die "Welt des Yoga" war noch kein Online-Supermarkt, dennoch war es nicht viel einfacher, eine:n gute:n Lehrer:in zu finden.



Bei Yoga ist es nicht anders.


Auf meinem Weg habe ich eine ganze Bandbreite von Einstellungen und Verhaltensweisen unter den Lehrern erlebt: von selbstgefälligen Akrobaten, dogmatischen Despoten, doktrinär verknöcherten und ungeduldigen Frontalunterricht-Anhänger:innen, narzisstischen Manipulatoren oder sogar Sexisten, bis zu aufgeschlossenen, weisen, liebevollen und behutsamen Begleiter:innen auf dem Entwicklungsweg.

Glücklicher Weise befand ich mich bereits in einer Psychotherapie und konnte sie recht schnell identifizieren. Die Schwierigkeit bestand eher darin, jemanden zu finden, bei dem die Chemie stimmte, jemanden, dem ich auf einer spirituell-philosophisch-intellektuellen Ebene vertrauen konnte. Ich muss allerdings zugeben, dass ich anfangs sehr streng und anspruchsvoll war, sowohl mit mir selbst als auch mit meinen Lehrer:innen. Als ich dann aber losließ, fanden sich gute Lehrer wie von selbst.


Denn das, was sich auf die Menschen im Allgemeinen bezieht, bezieht sich auch auf Yoga: Es gibt solche und solche.

Auch wenn man angeblich von allen Lehrer*Innen (irgendetwas) lernen kann, es ist jedoch eine große Verschwendung deiner Lebensenergie, wenn Du bei jemandem bleibst, der/die zwar als Guru gilt, bei dem/der es dir aber offensichtlich schlecht geht und die Begegnung mit ihr oder ihm nicht zur Entfaltung deiner Freiheit und Selbständigkeit beiträgt. Sobald Du das merkst, gehe weg von diesem Ort!


In diesem Kontext finde ich aber vor allem eines am schlimmsten: nämlich das NICHTERKLÄREN, was Yoga ist und wozu das Ganze eigentlich dient. Das ist übrigens logisch - jemand, der die oben beschriebenen Methoden anwendet, kann davon keine Ahnung haben. Auch das wäre ein Zeichen dafür, dass man lieber weiter suchen sollte.



Die Frage des Guru, oder wer ist deine beste Yogalehrerin oder Yogalehrer?


Ich gebe zu, dass ich bisher noch niemanden getroffen habe, der nicht nur meine Praxis, sondern auch mein Leben vollständig verändert hat. Früher fantasierte ich, beeindruckt von Erzählungen über erleuchtete Meister:innen, die angeblich so eine immense Menge Prana (Lebensenergie) ausstrahlen, dass sich in ihrer Gegenwart unsere geistige Batterien aufladen, einem solchen Menschen zu begegnen. Tatsächlich habe ich aber so etwas noch nie in Anwesenheit einer meiner (sehr guten) Lehrer:innen gespürt. Und dennoch weiß ich, dass ich auf meiner Matte genau dort bin, wo ich sein sollte. Seit ich bemerkt habe, dass nach intensiver und achtsamer Praxis von Asanas und Meditation Ruhe in mir aufkommt, mein Inneres weiter und weicher wird und die schreienden Affen in meinem Kopf einschlafen, spüre ich jeden Atemzug und verstehe, dass dies bedeutet, „da zu sein“. Ich habe auch verstanden, dass es keine bessere Yogalehrerin gibt, der/die mich verändern könnte, außer mir selbst: Ich selbst bin die einzige Meisterin, die mein eigenes Leben konsequent und dauerhaft verändern kann - ich selbst bin meine beste Lehrerin, ja mein eigener Guru. Und zugleich bin ich die Schülerin dieses Gurus.



Yoga ist mehr als Körpertraining!


"Okay, schön für dich", denkst Du Dir vielleicht gerade, während Du diese Worte lies, "aber wo soll ich denn anfangen, bis ich dann mal mein eigener Guru werde? Oder vielleicht zuerst überhaupt unter guten Händen Yoga lerne?" Zuerst noch eine Kleinigkeit vorweg: Es reicht nicht aus, nur Asanas zu üben, um dieses Ziel zu erreichen. Yoga auf Gymnastik zu reduzieren ist nicht nur ein enormer Verlust, sondern auch eine ziemlich typische, arrogante und fordernde Haltung. Ich weiß, wovon ich spreche - ich hatte sie selbst. Man muss das gesamte System kennenlernen und umsetzen. "Man muss lernen, in seiner eigenen Stille zu sitzen und den eigenen Geist zu beobachten, lernen loszulassen und sich nicht an Dingen, Ideen, Plänen oder sogar Menschen zu klammern. Vielmehr muss man annehmen, was das Leben bringt, also leben und anderen das Leben lassen."* Mit anderen Worten, praktiziere nicht nur Asanas, die ja nur eine Vorbereitung des Körpers auf das eigentliche, also die Meditation sind – nicht mehr und auch nicht weniger - sondern auch die anderen sieben von acht Zweigen des Yoga, die von Patanjali in den Yoga Sutras beschrieben wurden. „Dann wirst du dich von dem befreien, was dich vergiftet und unglücklich macht: dem Bedürfnis nach Kontrolle, dem ständigen Beurteilen, dem Besserwissen, dem Bedürfnis, jemandes Erlösung zu sein. Du wirst aufhören, an den ständig von deinem Ego inszenierten Dramen teilzunehmen. Du wirst dich endlich um dich selbst kümmern. Du wirst ein fürsorglicher, liebevoller Elternteil für dich selbst sein, der sich um deine Gesundheit, deinen Frieden und deine Entwicklung kümmert. Du wirst aufhören, andere für deine Emotionen, Stimmungen und Reaktionen verantwortlich zu machen. Du wirst in deinem Körper verwurzelt sein und ihn wirklich respektieren und darauf hören, was er dir sagt. Du wirst frei sein.“*


Wenn Du dich einmal dazu entscheidest, auf die Matte zu treten, denke daran, dass die Motivation Dein Geschäft ist. Manchmal geht es dem Bussines besser, manchmal steht es im Minus. Das ist normal. Das Einzige, was Dich aus dem Motivationstief herausholen wird, ist Routine und Disziplin: Mit oder ohne Lust praktizierst Du regelmäßig, und das am besten jeden Tag. "Dann wird Dir Yoga echte Früchte bringen: ein gutes und stabiles Körpergefühl, innere Ruhe und Leichtigkeit, das Auslöschen innerer Konflikte, ein Gefühl von Sinnhaftigkeit und Mitgefühl für dich selbst und andere. Genau wie Du täglich deine Zähne putzt und Dich duschst, ohne die Ausrede, hierfür keine Zeit zu haben."*

Einer meiner Lehrer sagte immer: You have to sit in a meditation every day for 20 minutes - unless you are very busy, then for one hour.



Für wen ist Yoga?


Bevor ich wieder zum eigentlichen Thema komme, nämlich wie man die beste Yogalehrerin oder Yogalehrer findet, möchte ich noch kurz auf diese Frage eingehen. Es kann nämlich gut sein, dass Yoga nichts für Dich ist - ja, das gibt es und das ist völlig in Ordnung - und deshalb wäre eine weitere Suche unnötig. Aber da Du auf meiner Seite bist und diesen Blog ließt, zeigt es mir, dass Yoga Dich interessiert.

Wenn Du dich also nicht bücken kannst, ohne zu keuchen, die Treppen nicht hinuntersteigen kannst, ohne dich am Geländer festzuklammern, immer höhere Dosen Schmerzmitteln einnimmst, rauchst und ohne Pillen nicht einschlafen kannst - dann hast du zwei Möglichkeiten: Du kannst weiterhin den schlechten Gewohnheiten erlauben, dir nach und nach die Freiheit zu nehmen und die Mediziner:innen und Apotheker:innen deine Ersparnisse einsaugen zu lassen, oder Du kannst etwas dagegen tun. Dein Rettungsboot kann Yoga sein: Es kann Dein sonstiges Bewegungsprogramm, Physiotherapie und Psychotherapie ergänzen (nicht ersetzen!). Es kann sogar zu einem wichtigen Bestandteil deines Lebens werden, so wie es bei mir der Fall ist.


Wenn Du süchtig bist, unter Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen leidest, mit Traumata zu kämpfen hast und noch keine Therapie gemacht hast oder gerade erst eine begonnen hast, solltest Du zuerst nicht meditieren (Meditation gehört zu wichtigsten Bestandteilen des Yoga). Wenn Du eine ernsthafte Erkrankung hast, die einen chirurgischen Eingriff erfordert, oder direkt nach einer OP bist, konsultiere zuerst einen Arzt deines Vertrauens. Je nach Zustand sollte zunächst eine Reha durchgeführt werden: Die Ausübung einiger Asanas kann in Deinem besonderen sogar schädlich sein! Die gute Nachricht ist: Die Praxis der übrigen Teile der gesammten Yogapraxis verfasst in Yogasutras nach Patanjali kannst du uneingeschränkt und mit sehr gutem Gewissen immer praktizieren. ;-)



Was kann man von Yoga erwarten?


Angenommen Yoga wäre was für Dich. Oder zumindest Du möchtest mal ausprobieren was das ganze ist, möchte ich zunächst klar stellen, was Du von Yoga nicht erwarten solltst:

1. Erwarte nicht, dass Yoga Dich amüsiert – Yoga ist kein Zeitvertreib, sondern eine ernsthafte Praxis. Und wie bei jeder Routine es darf und wird es oft auch langweilig.

2. Erwarte nicht, dass Yoga Dich erlöst, dass Du auf der Matte eine Erleuchtung erlebst.

3. Es kann sein, dass Yoga nicht alle Bedürfnisse deines Körpers deckt: Bei Yoga findest du viele Dehnübungen, auch auf isometrischer Basis, einige Kraftübungen die Dein eigenes Körpergewicht nutzen, viele sehr effektive Athemübungen und Entspannungstechniken.

Was fehlt ist Cardiotraining, Funktioneller Training, Krafttraining mit Gewichtern oder Wiederstand von außen, Sprünge.


Es ist nicht Yoga, das Dir helfen wird, sondern Du selbst kannst Dir helfen, indem Du Yoga praktizierst. Natürlich unter der Anleitung eine:r kompetente:n Lehrer:in, langsam, mit Freundlichkeit und Sanftheit Dir selbst gegenüber und vor allem regelmäßig.

Der erste Schritt: Höre auf, Ausreden zu finden und beginne zu handeln. Und bitte: Lache viel. Auch über Dich selbst (...weil Du nie weißt, wo die rechte und linke Seite ist, oder bei einer bestimmten Haltung immer pupsen musst...). Fang immer wieder von vorne an und klammere Dich nicht an die Ergebnisse. Umarme Dich selbst nach jeder Praxis und sage Dir: "Ich habe Dich lieb, danke Dir".



Was sollte man von einer Yogalehrerin oder einem Yogalehrer erwarten?


Jetzt sind wir wieder zurück beim Thema.

Zunächst einmal muss man seine "eigene" Yogalehrerin oder Yogalehrer finden. Klar.

Und das ist, wie oben gesagt, nicht einfach: Es ist fast so schwer wie das Finden einer/eines guten Psychotherapeut:in. Eins ist aber sicher: Genau wie es keine perfekten Menschen gibt, gibt es auch keine perfekten Lehrer:innen. Und noch Eines: Wer wirklich finden will, für den wird auch eine lange und mühsame Suche nicht vergeblich sein - schließlich lernen wir durch jede neue Begegnung!

Erwarte nicht, dass der/die Yogalehrer:inn Dch erlöst. Er/Sie kann Dir lediglich gewisse Hinweise und Werkzeuge an die Hand geben, die Dir dabei helfen, Dich von deinem Leiden zu befreien. Erwarte Freundlichkeit, Offenheit, Respekt, ein Lächeln, das Beachten Deiner Grenzen und insgesamt eine herzliche und fürsorgliche Haltung. Erwarte Aufgaben und Übungen – und halte dich an die Anweisungen! Erwarte kompetente Antworten auf Deine Fragen – mögen sie noch so simpel sein.

Wenn Du das Gefühl hast, dass Du wächst, dass Du so, wie Du bist, richtig bist, dass alles, was du lernst, Deine Unabhängigkeit positiv beeinflusst, bist Du wahrscheinlich in guten Händen.


Jack Kornfield, ein buddhistischer Lehrer und Autor wunderbarer Bücher, sagt: "Du magst nicht perfekt sein – aber so, wie Du bist, bist Du vollkommen." Das hört sich für mich ziemlich gut an.



Was ist bei der Suche nach einer guten Yogalehrerin oder Yogalehrer zu beachten?


Ein Zertifikat von einer modischen Schule oder ein beliebtes Instagram-Konto mit Fotos in akrobatischen Posen und sexy Outfits spielt keine Rolle. Auch dreißig Jahre Erfahrung allein und fünfzehn Zusatzausbildungen sagen nichts aus. Wichtig ist, dass er/sie bereits mit eigenen Dämonen umgegangen ist, denn jeder hat sie, auch eine Yogalehrerin. Meide Menschen, die Gewalt anwenden, die alles besser wissen, die dogmatisch sind, und von ihrer Unfehlbarkeit überzeugt sind, die wütend, ungeduldig oder vorwurfsvoll sind, die manipulieren oder andersrum nur Süßholz raspeln und sich lächelnd über ihre eigene Güte ergötzen, die sich selbst oder anderen nicht erlauben, negative Gefühle auszudrücken.



Wonach richtet sich die Vergütung bei Privatunterricht?


Wenn Du bereits eine gute Yogalehrer:in gefunden hast, der/dem du dein Vertrauen schenkst und der/die Dich mit ihrem Wissen und Engagement unterstützt, aber behandele ihre Arbeit bitte nicht wie eine Dienstleistung. Das Weitergeben von Wissen und das Führen auf dem Pfad spiritueller Entwicklung ist keine Dienstleistung.

Betrachte die finanzielle Gratifikation, die Dein:e Yogaehrer:in vorschlägt, als DANA, als Spende oder Gabe. Bedenke, dass es nicht nur um die 60-120 Minuten Asana-Praxis, Meditation oder Atemübungen geht, die sie/er Dir widmet. Dahinter verbirgt sich die Vorbereitung auf die Begegnung mit Dir (insbesondere bei Eins-zu-Eins-Sitzungen, wie sie ursprünglich praktiziert wurden und wie ich sie in der Regel gebe): Das Erstellen einer Asana-Sequenz basierend auf einer vorläufigen Anamnese und entsprechend Deiner Entwicklung und/oder Analyse Deiner vorherigen Praxis, nimmt Zeit in Anspruch.

Es bedeutet auch volle Aufmerksamkeit für Dich und die Anpassung des vorbereiteten Programms an Deine momentanen Bedürfnisse. Es beinhaltet auch den spirituellen und energetischen Austausch, etwas, das nicht gemessen oder in einer Preisliste festgelegt werden kann. Durch Dana drückst Du Deine Dankbarkeit für die Zeit, Energie, das Wissen und die Erfahrung aus, die mit Dir geteilt wurden.



Und noch eine Bemerkung zum Abschluss:

Es ist völlig in Ordnung, wenn einer von euch, Du oder dein:e Lehrer:in, nach einer Weile das Bedürfnis hat, die Relation zu beenden. Denke bitte nur daran, Dich zu verabschieden wenn Du gehst. Schließlich habt ihr beide ein Stück des Weges gemeinsam zurückgelegt.


Namaste!


* Paulina Młynarska "Mein linkes Yoga", Übersetzung: Grażyna Kania



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